8. Kultur und Kritik

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  • Created by: LauMarPel
  • Created on: 23-01-21 08:05

Erinnerungskulturen. Umkämpfte Deutungen: Kulturelles Gedächtnis und Erinnerung

1. Vorüberlegungen

Phänomene und Konzepte von Gedächtnis und Erinnerung zeichnen sich nicht durch Eindeutigkeit, Stabilität oder unstrittige Wahrheiten aus, sondern durch Mehrdeutigkeit, Widersprüche, Wandel -> umstrittene Deutungen

Schematische Zugänge, die auf Annahmen von Homogenität, Statik oder Eindeutigkeit basieren ("methodologischer Nationalismus" nach Volker Beck) sind daher kontraproduktiv. Es gilt vielmehr, vielfältige Quellen, auch informelles, biografisches, affektives Wissen einzubeziehen bzw. kontraproduktiv.  -> bildet ideele Seite des Lebens -> individuelle Bildungsbiografien als "Lebensfundus"

Mnemotic turn: kulturelles Gedächtnis und Erinnerung haben seit den 1980ern in sozial- und kulturwissenschaftlichen Fächern neue Forschungsperspektiven eröffnet haben -> Doris Bachmann-Medik -> ehemalige Begriffe wurden hinterfragt und bekamen neue Bedeutung -> wurden prozesshaft und flüchtig

Astrid Erll: Die Erfindung des kollektiven Gedächtnisses

  • menschliche Erinnerungen sind konstruiert
  • wissenschaftliche Beschäftigung erst mit Beginn des 20. Jahrhunderts
  • "Jede theoretische Annahme über Inhalte oder Funktionsweisen des kollektiven Gedächtnisses ist selbst ein Konstrukt"

1.2. Zwei Traditionslinien der Forschung um kulturelles Gedächtnis und Erinnerung

Maurice Halbwachs (1877-1945): Texte zu kollektiven Gedächtnis/memoire collective seit 1925 -> versucht soziale Bedingtheit von Erinnerungen nachzuweisen -> gegen Gedächtnistheorien Freuds und Bergson (Erinnerung als individuellen Vorgang) -> jede individuelle Erinnerung ist auch eine kollektive

Aby Warburg (1866-1929): kulturhistorische Untersuchungen zum europäischen Bildgedächtnis und dem Erbe der Antike in den unterschiedlichen Bereichen der abendländischen Kultur (Atlas Mnemosyne -> Art Bildatlas, der wiederkehrende Bilder und Motive von der Antike bis zur Gegenwart nachzeichnet)

Halbwachs und Warburg waren die ersten, die kollektives Gedächtnis benannt und systematisch untersucht haben

Seit den 1980ern verstärktes Interesse der kulturhistorischen Forschung am Gedächtnis-Thema

Erinnerungsorte (nach Pierra Nora) als international einflussreichstes Konzept

Im deutschsprachigen Raum haben Konzepte des kulturellen Gedächtnis nach Aleida und Jan Assmann nachhaltigen Einfluss ausgeübt.

Seit Ende der 1990er wird unter dem Überbegriff Erinnerungskulturen ein mehrdimensionales Kulturwissenschaftliches Konzept verstanden, das Dynamik, Kreativität, Prozesshaftigkeit und Pluralität der kulturellen Erinnerung betont.

2. Begriffe und Konzepte nach Aleida und Jan Assmann

Gedächtnis als übergreifende, abstrakte Kategorie. Erinnerung umfasst Gedächtnis

Unterscheidung der Gedächtnisse durch Inhalte, Träger und Zeitdauer

Soziales/kommunikatives Gedächtnis:

  • unauflösbar mit sozialer Interaktion verflochten
  • Erinnerungen sind kurzfristig, gebunden an Generationen mit gemeinsamer Erinnerungsbasis
  • Wichtigste Medien: Alltagskommunikation, Gespräche
  • mehrdeutig, heterogen

Kollektives/nationales Gedächtnis, Bindungsgedächtnis:

  • Stabilität und Homogenität, formal, vereinfacht, reduziert, von kürzerer Dauer als das soziale oder individuelle Gedächtnis
  • mentale Bilder werden zu Ikonen und Erzählungen zu Mythen, wichtigste Eigenschaft: Überzeugungskraft
  • Zeitdauer ist abhängig davon, wie lange die kollektiven Erinnerungen dem gewünschten Selbstbild der Gruppe und ihren Zielen entsprechen -> wenn sie dysfunktionale werde, werden sie ersetzt
  • Gesellschaft schreibt sich mit Nromen und Werten ein, anfällig für politisierte Formen des…

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